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Die Welt ist rund

Also gut. In diesen Tagen versammeln sich Tausende, um für eine bessere Welt zu demonstrieren. Einige sind berühmt. Sie haben es besonders schwer. Mit der Glaubwürdigkeit. Sie wissen, daß sie zu den wenigen großen Nutznießern von ungerechter Verteilung des Kapitals gehören. Millionen für Musik? Millionen für Schauspielerei? Millionen für Fotomodelle? Nun gut. Sie wollen kein Geld. Sie haben eine Bitte, zum Glück keine CD. Wir sollen unsere Stimme abgeben. Gegen Armut. Es geht um eine gerechte Welt. Alle, die sich zur Zeit versammeln, fordern eine gerechte Welt. Linksextreme, Linksgemäßigte, Umweltschutzgruppen, Kirchengruppen, politisch interessierte Individualisten, sogar Menschen vor den Fernsehern. Die einen wollen die Umwelt schützen, die nächsten einen fairen Handel, einige wollen Schulen bauen und wieder andere Menschenrechte schützen. Alle haben Recht. Und wenn auch die Schwerpunkte unterschiedlich gelagert sind, etwas verbindet alle, ein kollektives Gefühl von Ungerechtigkeit. Und ein klarer Blick: es sieht nicht gut aus, auf der Erde. Verhungernde Kinder, Aidswaisen, alte Kriege, neue Kriege, Rohstoffe werden ausgebeutet, Menschen sowieso. So weit, so schlecht. Doch wann war es anders? Gab es eine Zeit ohne Kriege, ohne Infektionskrankheiten, ohne Ausbeutung von Rohstoffen, ohne verhungernde Kinder? Wohl kaum!
Aber jetzt haben wir die Globalisierung. In ihr liegt für viele die Erklärung für alles Elend der Welt. Die Öffnung der Kapitalmärkte im Osten, die weltweite Vernetzung, das wachsende Tempo, mit dem Informationen transportiert werden und Handel durchgeführt wird. Sind das die Faktoren der Globalisierung oder fängt sie nicht schon früher an? Liegt ihre Wurzel nicht schon in der fortschreitenden Technologie, in der Industrialisierung, in der Kolonialisierung, im Handel, im Prozeß der westlichen Zivilisation? Man kann darüber streiten, aber eines ist sicher: Die Globalisierung ist ganz bestimmt nicht vom Himmel gefallen. Und dennoch, etwas ist anders. Massenarbeitslosigkeit, Dumping-Löhne, enorme Managergehälter, die Armut steigt, der Reichtum steigt und die Kluft dazwischen erst recht. Das ist neu, für uns, die wir in einem der reichen Länder leben. Für uns bedeutet Globalisierung, daß wir die Schattenseiten von aggressiver Marktpolitik, Gewinnmaximierung und Bedeutungslosigkeit menschlicher Arbeitskraft zu spüren bekommen. Für einen sehr großen Teil der Weltbevölkerung ist diese Erfahrung Alltag. Seit Generationen. Aber jetzt sind wir dran. Mit erstaunlicher Beharrlichkeit haben wir in den vergangenen Jahrzehnten in einer Illusion von nationalem, ewig währendem Wohlstand geschlummert, ohne uns großartig Gedanken darüber zu machen, ob andere Menschen unter unserem Wohlstand zu leiden haben. Die Umweltzerstörung ist ein gutes Beispiel. Stürme, Überschwemmungen, Dürre, Wassernot. Es sind nur einige Auswirkungen unserer Umweltzerstörung, unter denen insbesondere die armen Länder zu leiden haben. Und genau das ist der Punkt. Jetzt bekommen wir die Wirkung unseres eigenen Handelns selber zu spüren. Wir erleben, daß alles, was auf der Welt geschieht, in einem Zusammenhang, schlimmer noch, in einer Wechselwirkung steht. Die Erfahrung kommt bedauerlich spät. Wenn man überlegt, daß wir dazu neigen, uns als besonders gebildet zu präsentieren, hätten wir es schon lange wissen müssen. Aber es ist auch eine Chance. Jetzt. Man kann seine Stimme gegen Armut geben, um die Vertreter der verschiedenen Nationen unter Druck zu setzen, ihre Versprechen einzuhalten. Ich tue es nicht. Wenn wir endlich erkennen, daß alles, was auf der Welt geschieht, in Wechselwirkung steht, dann wissen wir auch, daß alles, was wir für andere tun, uns selber zu Gute kommt! Und dann ist es auch möglich, über eine offene Weltgesellschaft zu reden. Ich gebe meine Stimme für eine offene Weltgesellschaft. Für fairen Handel, für Abrüstung, für Dialog. Für die Bereitschaft, die Perspektive zu wechseln. Es ist eine Chance, denn die Erde ist rund. Und sie wird es immer bleiben.

buntschuh